Über mich
Persönliche Gedanken zum schönsten „Hobby“ der Welt – eine Liebeserklärung an schöne Steine
„Du sammelst Steine? Was für Steine? Du meinst Mineralien?“
Solche oder ähnliche Fragen tauchen häufig auf, wenn ich versuche jemandem zu beschreiben, was ich mit Hingabe pflege: Schöne Steine und Suiseki.
In Momenten wie diesen fällt es mir schwer, meine Beschäftigung als „Hobby“ zu bezeichnen. Am liebsten würde ich dann ins Schwärmen kommen, um den Interessierten deutlich zu machen, welche Dimensionen sich mir mit dem Sammeln, dem Reinigen, dem Pflegen und Präsentieren von ausgewählten Steinen eröffnen. Es ist nicht einfach in der Kürze zu erfassen, welche Auswirkungen diese Leidenschaft auf meine Persönlichkeit hatte und hat!
Nein, diese Leidenschaft ist mehr. Sie ist eine Schule des Auges und des Geistes. Für mich ein Weg. Es ist eine Entdeckungsreise in die Dimension, wo hartes Gestein mit formlosem Wasser in Berührung kommt – Suiseki, durch Wasser geformte Steine, so die abgekürzte japanische Übersetzung. Eigentlich ist Suiseki eine Kurzform und leitet sich ab von „San Sui Bei Seki“ Sansui = Natur, Kei = Betrachten oder Darstellen, Seki = Stein.
Doch nur wenige meiner schönen Steine (Biseki) sind Suiseki im klassischen Sinn, denn sie können manchmal nicht eindeutig den ästhetischen Grundsätzen und den genauen Kriterien japanischen Steingeschmacks zugeordnet werden.
Ich versuche in meiner Beschäftigung mit schönen Steinen, angelehnt an japanische Werte, eigene Wege und Definitionen zu finden, damit ich die mir zur Verfügung stehenden Steine zueinander in Beziehung setzen und wertschätzen kann.
Betrachte ich meine Sammlung aus vornehmlich schweizerischen und italienischen Steinen, dann vermag es jeder schöne Stein, mich an den Ort und in die Zeit zurückzubringen, als ich ihn fand. In den Bergen und Flüssen der Schweiz gibt es manch lohnenswerten Schatz zu entdecken.
Der Moment des Findens ist überwältigend! Nachhaltig bleibt er als wohlbehütete Erfahrung zurück, da ich für einen guten Stein viele anstrengende Kilometer gelaufen bin, geschwitzt habe und meine volle Aufmerksamkeit auf die Natur gerichtet habe. Das Sammeln schöner Steine (Tanseki) fordert mein gesamtes Wesen!
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Wer Pilze sammelt, hat es (hoffentlich) auch schon selber erfahren: das Auge muss in der ersten halben Stunde eingestimmt werden. Sich auf die Umgebung einlassen, den Kopf ausschalten und die Intuition walten lassen. Plötzlich „läuft man richtig“. Ein inneres, schwer zu beschreibendes „Ziehen“ übernimmt das Denken und die Erfolge stellen sich ein.
Beim Tanseki würde ich es als „Hineinfühlen in die Erde“ bezeichnen. Die dünne Haut aus Erde durchdringen. Wir alle laufen auf Fels. Immer.
Hier! Endlich: Eine vielversprechende Spitze, die aus der Erde ragt, eine sanfte Bewegung im Material – mein Herz nimmt einen Sprung!
Schon das Bergen des Steins aus der Erde ist fantastisch! Ich habe dann jeweils den Tunnelblick und nehme nichts anderes wahr als den Schatz, den ich in Händen halte! Ein guter Stein birgt in sich die Essenz einer ganzen Landschaft, samt Bergen, Tälern und Seen oder gibt das Wesen einer Figur wieder. Alle erdenklichen Formen sind möglich – die Natur ist die grösste Künstlerin! Je grösser die Assoziativkraft des Steines ist, umso länger prägt er sich uns ein und umso tiefer ist sein Widerhall in uns.
Was für ein Geschenk – ich darf der erste Mensch in der Geschichte der Menschheit sein, der diesen Stein berührt! Ganz versinke ich in der Betrachtung, wie unendlich viele Gegebenheiten in unendlich langer Zeit zusammenspielen mussten, um genau diesen Stein hervorzubringen! Ich scheue nicht davor zurück, diesen intensiven Moment als heilig zu bezeichnen.
Mit Feuereifer drehe und wende ich nun den Stein, um seine Gestalt erfassen zu können. Das ist Schatzsuche und Gnade in einem! Auf den Knien bin ich dank des Grabens schon.
Dieser Stein hat all die tausende von Jahren auf mich gewartet. Durch alle geologischen Veränderungen der Landschaft hindurch erschaffen und durch Erosion herausgeformt, nahm er hier seinen Sitz, scheinbar ohne Zweck. Soviel zwecklose Schönheit wäre auch da, ohne das Entdecken durch einen Menschen. Ich fühle die Schöpfungskräfte und danke dem Ort.
Stammt der Stein aus dem Fluss, dann weide ich meine Augen an der natürlich entstandenen Patina. Seine gerundeten Formen erinnern häufig an Hügellandschaften oder zeigen Wasserbecken.
Bald meldet sich jedoch der Verstand zurück, und die fünf wichtigsten Fragen drängen sich in den Vordergrund:
a) Form: Sind seine Proportionen ausgewogen? Gibt er einen harmonischen Gesamteindruck? Regt er zu einer Assoziation an?
b) Materialqualität: Ist das Material des Steins hart und dicht?
c) Farbe: Besitzt der Stein eine edle, unaufdringliche, gedeckte und dunkle Farbe? Erweckt seine Farbe gar ein Gefühl für eine Jahreszeit?
d) Oberfläche/ Haut: Hat der Stein eine ansprechende Haptik? Weist seine Haut ein regelmässiges Merkmal auf (faltig, löchrig, glatt, gerillt, warzig)?
e) Alter/Patina: Ist der Stein regelmässig erodiert und besitzt vielleicht schon eine ruhige Ausstrahlung?
Wie oft versuche ich, Nachteile eines Steins mit seinen Vorteilen aufzuwiegen und mich selber von dessen Qualität zu überzeugen! Keinen Kompromiss einzugehen ist manchmal schwer…
Besteht der Stein diese kritischen Betrachtungen, wird er sorgfältig eingewickelt im Rucksack verstaut.
Süsses Gewicht am Rücken, endlich bin ich angekommen und habe mich als würdig erwiesen! Die Umgebung scheint mir nun lebendiger und intensiver.
Auf Schritt und Tritt kann es wieder passieren.
Ich nehme mit neuer Wachsamkeit die Orchidee neben dem Bergbach wahr und lasse mich vom Gesang der steigenden Lerche tragen.
Erfüllt trete ich nach einem spannenden und anstrengenden Tag die Heimreise an. Wie viele Steine ich heute wohl berührt habe? Ein einziger guter Fund ist Lohn genug.
An Tagen ohne grosse Erfolge versuche ich, die Aspekte der gesunden Bewegung in der Natur und alle gesammelten Eindrücke zu würdigen. Tanseki ist eine Beschäftigung, die das gesamte Wesen in Beschlag nimmt.
Das Reinigen der Steine ist ebenfalls sehr befriedigend. Ich entdecke die Steine neu – finde verborgene Details, wie Bergbäche aus Quarz, oder Täler erweisen sich tiefer als erhofft, und die Flanken der Hänge zeigen ihre besondere Zeichnung. Manchmal erwartet mich auch eine herbe Enttäuschung, wenn der Lehm eine fehlerhafte Stelle kaschiert oder eine Flanke formt, die nun ganz anders wird.
Der Traum vom perfekten Stein geht weiter.
Wichtig scheint mir, dass wir die Bereitschaft zum Dialog mit dem Stein entfalten und beginnen, die ersten bewussten Schritte mit ihm zu gehen. Wie kurz muss ihm unser Begleiten erscheinen!
Es ist jedes Mal ein Erlebnis, wenn der Stein erwacht und anfängt zu leben. (Und die Frage „Du besitzt lebende Steine?“ lässt häufig nicht lange auf sich warten)
Dies geschieht recht deutlich, wenn er mehrere Jahre mit kalkfreiem Wasser gewässert wurde und an der Sonne stand. Das Reifen eines Steines nennen die Japaner „Yoseki“.
Dabei tritt häufig ein Punkt der Umkehr ein: Wenn vorher die Beziehung zum Stein durch Arbeit meinerseits geprägt war, fängt er allmählich an zu geben. Dieser Effekt verstärkt sich in der Zeit des Einpassens in einen Daiza. Dies ist ein perfekt angepasster Holzuntersetzer, der den Stein aufnimmt und ihn mit seiner Formgebung komplementiert. Vergleichbar mit einem fein abgestimmten Bilderrahmen zu einem wertvollen Gemälde.
Durch das Berühren des Steines entwickelt sich sein innewohnender Zauber. Ich würde es fast als „Kraftfeld“ bezeichnen, das anfängt zu wirken. Unaufdringlich und doch unwiderstehlich. Wie oft habe ich schon über einen wirklich guten Stein in einer Ausstellung gestaunt, der durch seine Präsenz, seine Strahlkraft, einen ganzen Raum in Beschlag nehmen konnte! „Patina“ beschreibt lediglich den äusseren Zustand des Steines, wobei sich vielmehr sein inneres Wesen offenbart und uns einlädt, erkundet zu werden. Ehrfürchtig erkenne ich diese subtile Einladung, ohne dass sich mir der Stein aufdrängen oder mich jemals brauchen würde.
Er ist ein besonderer, verehrungswürdiger Stein, fast schon ein Freund, der nichts verlangt und doch so unschätzbar viel gibt: nichts weniger als das Universum selbst.
Entdecken auch Sie diese Gesamtheit in einem besonderen Stein. Gehen Sie spazieren, am Flussufer oder in den Bergen, mit offenen Augen und einem wachen Geist. Lassen Sie sich überraschen, was die Natur für Sie bereithält!
Kurzbiografie
geboren 1979 in Luzern
1996 – 2001 Liceo Artistico in Zürich, Abschluss mit Kunstmatura
2001 – 2005 Ausbildung zum Oberstufenlehrer
Seit 2005 Tätigkeit als Oberstufenlehrer
Schon als Kind habe ich Mineralien und schöne Steine gesammelt und beschäftige mich intensiv mit Suiseki seit 2004.
Ich lebe mit meiner Frau und unseren beiden Töchtern im Luzerner Seetal.